Auf der Babybühne

Im Freien Werkstatt Theater in Köln erleben Kinder von 0 bis 14 Monaten Aufführungen für alle Sinne

Ballons schweben, Seifenblasen fliegen: Die Babybühne ist ein Sinnentheater.

Ballons schweben, Seifenblasen fliegen: Die Babybühne ist ein Sinnentheater.

Die jüngsten Theatergäste Kölns kommen im Kinderwagen zur Vorstellung. Neun Babys mit ihren Eltern besuchen an einem Donnerstagmorgen im April um 11 Uhr das Freie Werkstatt Theater Köln. Die „Babybühne“ ist gedacht für Kinder im Alter von frisch geschlüpft bis zu 14 Monaten. Theaterleiterin Inken Kautter begrüßt das besonders junge Publikum, verweist auf den eigens eingerichteten Wickeltisch im Keller und bittet die Eltern, ihre Schuhe auszuziehen und während der halbstündigen Aufführung auf Fotos zu verzichten. Zum Fotografieren bleibt in der anschließenden Spielphase im Bühnenbild noch Zeit genug.

Babys und Eltern betreten einen ungewöhnlichen Theaterraum, der ungefähr so groß ist wie ein Wohnzimmer – und zugleich als Bühne und Zuschauerraum dient. Die Gäste lassen sich auf kleinen Inseln aus bunten Kissen und Spielreifen nieder. Begrenzt wird diese kleine künstliche Oase von einem Rahmen aus hochgestellten, blauen Campingmatratzen. Die Decke ist schwarz.

Nach einigen Momenten des Ankommens mit Quaken und Quieken und den ganzen Geräuschen, die sich niederlassende Kleinfamilien eben so machen, wird es kurz seltsam still, bevor sphärische Musik erklingt. Eine Stimme aus dem Hintergrund sagt: „Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder: den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter.“ Das Spiel beginnt also: zunächst mit Schattenhänden hinter einem Vorhang aus heruntergelassenen Klopapierrollenbahnen. Die Babys beglücken ihre Eltern mit den ersten staunenden Blicken, einige beginnen den Raum zu bespielen, sie robben und krabbeln einfach los.

Die zwei Darstellerinnen Marion Bihler-Kerluku und Mona Mucke sind ganz in Weiß gekleidet. Mit langsamen, tänzelnden Bewegungen erobern sie den Raum, lassen Federn regnen und zu Boden schweben. Einige Babys greifen danach. Dann „pflanzen“ die beiden Gärtnerinnen Blumen in Form von Helium-Luftballons, die mit kindermundgerechten Gewichten am Boden gehalten werden. Während die Babys noch staunen und die einen sich zaghaft, die anderen ungestümer in dieses Sinnentheater vorwagen, kommt eine Kriechtunnel-Raupe hinzu, die auch noch frech mit einer Geburtstagsfeiertröte trötet. Ein Baby bekommt prompt einen Weinanfall, die anderen staunen weiter.

Auch die Eltern haben offensichtlich Freude an dieser Vielfalt der Ideen, daran wie die Jahreszeiten in einem fröhlich-bunten Seh-, Hör- und Fühl-Reigen vergehen, hier in diesem Theaterkeller in Köln. Marion und Mona verteilen Wasserbälle mit Fröschchen darin an ihre ganz jungen Zuschauer. Die Schauspielerinnen lassen Seifenblasen durch den Raum schweben – ein Fest für Kleinkinder. Ein Baby testet, ob es die Requisiten auch essen kann. Vergebens. Doch schon setzen die Darstellerinnen zum Finale an; es ist bereits Winter. Sie ziehen die zwölf Toilettenpapierrollen, die eben noch der Vorhang fürs Schattentheater waren, durch den ganzen Raum, bedecken Babys und Eltern und sich selbst damit. „Oh, es schneit!“, ruft eine Mutter. „Das machen wir jetzt zu Hause auch“, sagt eine andere, als die Vorstellung vorüber ist und das freie Spiel im Bühnenbild schon längst begonnen hat.

Wohlfühloase mit Ballonfisch im Theaterraum.

Wohlfühloase mit Ballonfisch im Theaterraum.

Die Stimmen der Eltern sind durchweg positiv: „Ganz toll“, „Sehr viele schöne Ideen“, „Faszinierend, dass die Kinder keine Angst hatten“. Eine Mutter ist mit ihrem neun Wochen alten Säugling da und verspricht, in einem halben Jahr wiederzukommen, damit der Kleine dann im Bühnenbild auch mal auf Erkundungstour gehen kann wie die Älteren an diesem Morgen.

Im Anschluss an die Aufführung berichtet die Regisseurin Andrea Bleikamp, wie es zu der Babybühne als Kooperation des wehrli theaters und des Freien Werkstatt Theaters kam. „Ich wollte mit meinem Baby ins Theater gehen und habe festgestellt, dass es Theater für dieses Alter nicht gibt.“ Also dachte sie sich: „Dann mach’ ich es eben selber.“ Es sei nicht schwer gewesen, die Theaterleiterin und Dramaturgin Inken Kautter für die Idee zu begeistern. Mit großem Spaß und viel Freude konzeptionierten die beiden Mütter das Stück, das seit Oktober letzten Jahres auf der Babybühne immer wieder mit viel Erfolg aufgeführt wird.

„Die Leute sind begeistert“, sagt Andrea Bleikamp. Babys und Eltern finden einen geschützten Raum in der Babybühne vor, in dem sie ganz mit sich und dem Stück alleine sind. Andrea Bleikamp sagt, viele unterschätzen, was die Kinder auch schon in diesem Alter aufnehmen können. Und es gehe nicht darum, die Babys eine halbe Stunde zu beschallen, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, jene Dinge im Theaterraum zu bespielen, die ihnen spannend erscheinen. Die Vorstellung berühre bewusst alle Sinne, dennoch sei die Bühne keine Krabbelgruppe und kein Mutter-Kind-Kursus, sondern eben ein Theaterstück.

Theaterleiterin Inken Kautter berichtet, dass Theater für Babys in anderen Ländern etablierter sei als in Deutschland. Sie würde sich freuen, wenn solche Projekte wie die Babybühne auch von Teilen der Theaterszene mehr Anerkennung und Unterstützung erfahren würden. Zurzeit seien die Aufführungen noch ein Zuschussgeschäft, über einen Sponsor würde sich das Ensemble demzufolge freuen. Denkbar wären auch Gastspiele in eher (hoch-)kulturfernen Stadtteilen. Bemerkenswert findet Inken Kautter die Mischung des Publikums. „Zur Babybühne kommen auch Eltern, die noch nie zuvor im Theater waren.“

Verspielt, chaotisch, zum Anfassen: Nach dem Stück bleibt eine Menge liegen.

Verspielt, chaotisch, zum Anfassen: Nach dem Stück bleibt eine Menge liegen.

Das Freie Werkstatt Theater Köln bietet regelmäßig Aufführungen für Babys und Eltern an. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt auf 20 Babys. Die nächsten Termine: 27. April (11 Uhr), 28. April (9.30 und 11 Uhr), 29. April (9.30 und 11 Uhr).

Weitere Informationen unter www.fwt-koeln.de.

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