Geduld ist lernbar

Mitunter erscheint das Leben wie eine einzige, ewig andauernde Vertröstung. Wir kommen niemals dahin, wo wir hinwollen und werden auch niemals fertig. Positiv formuliert: Wir durchleben Tag für Tag die gnädige Schule des Wartens. Doch keine Panik: Geduld ist lernbar.

Um sich in der Kunst des Wartens zu üben, muss man nicht unbedingt sofort tagelang einen Wallfahrtsweg entlang pilgern oder am Karfreitag vier bis fünf Mal die Heilige Stiege auf dem Kreuzberg heraufbeten. Nein, es reichen kleine meditative Übungen im Alltag, um sich selbst auf die Folter zu spannen.

So ist es eine brauchbare Übung in Geduld, mit dem Auto durch die Einbahnstraßen der Altstadt hinter einem ladenden Müllauto zu fahren. Auch ein Trecker auf der Landstraße erzielt den gleichen Effekt. Und siehe da: Die größten Probleme erledigen sich manchmal von selbst – oder durch Abbiegen.

Während man auf das Abbuchen der nächsten Miete nie lange warten muss, so braucht es eine Menge Sitzfleisch und gute Nerven, bis die vermietende Wohnungsbaufirma die seit Monaten beanstandete feuchte Wand im Kinderzimmer beseitigt. Manchmal lohnt es sich, diese Strecke des Wartens gemeinsam mit dem Mieterbund zu gehen. Apropos feucht: Große Wartekunst verlangt auch das Auslüften halb vermoderter Bücher aus dem Keller vor dem Wiederlesen.

Wer gerne tagesfüllend und ereignisreich wartet, der schaffe sich am besten ein Kind an. Mit einem Zweijährigen durch die City schleichen, das lehrt dich Geduld. Du lernst jeden Hauseingang kennen, betrittst manche offene Tür und lernst neue Leute kennen. Und wenn der Filius sich bäuchlings auf den Bürgersteig legt, um einen Marienkäfer zu beobachten, dann harre aus und denke still: Es liegt nicht mehr in meiner Hand, es liegt nun auf dem Boden.

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