Vom Optimisten zum Realisten

Das Glas ist halb voll und nicht halb leer, und die Sonne geht abends unter, um morgens wieder aufzugehen. Kleine Kinder haben eine bewundernswert positive Grundhaltung, woran sich mancher ein Beispiel nehmen könnte.
So ist der Dreijährige der grenzenlos begeisterungsfähige und gutgläubige Typ, der logische Optimist, der in allem das Gute und Wahre und Schöne sieht. Die platt getretene Schnecke auf der Treppe ist deshalb auch nicht gleich tot, sondern erst mal matschig. Vielleicht ist ja was zu retten. Die Sonderangebote im Supermarkt sehen lecker aus, obwohl sich schnell herausstellt, dass es Hundefutter ist. Und wenn Papa auf dem Weg zur Kita am Briefkasten hält und was einwirft, meint der Junior: „Gut, dass du einen Brief dabei hattest.“
Leider lässt der grenzenlose Optimismus mit zunehmendem Alter nach. Schon der sechsjährige Bruder ist ein pragmatischer Realist, der seinen Eltern zum Geburtstag Gutscheine mit guten Taten schenkt. Wenn die ihn dann aber bitten, sich anzuziehen, sagt er nur knapp: „Das stand da aber nicht drauf.“
Die ältere Schwester ist noch abgebrühter, Typ aufgeklärte Postmaterialistin. Als zeitgleich in Flur und Bad die Energiesparlampen aufgeben, meint sie nur: „Ich will gar keine Lampen mehr haben. Dann gehen sie auch nicht kaputt, und wir sparen Geld.“
Mit Spannung erwarten wir, welcher Denkschule unsere Alltagsphilosophen beitreten, wenn das Zeitalter der Pubertät über uns hereinbricht.

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