Wenn die Welt im Döschen ist, dann ist sie in Ordnung und ganz überschaubar, und wirklich alles ist gut. Diesen Zustand völliger Zufriedenheit mit sich und der Welt herzustellen, ist eine große Kunst. Meister dieses Fachs ist der Dreijährige, der mit seinem Laufrad zum Kindergarten schleicht.
Auf diesem Weg, der das Ziel ist, begegnen dem kleinen Entdecker viele tausend Abenteuer. So hält er unvermittelt an und sucht den Boden ab: „Ich muss mal gucken, ob da eine Ameise ist.“ Ist sie nicht. Und schon geht’s ein Stück weiter: „Lalala, das Polizeimotorrad ist da.“ Auf wenigen Metern werden Stöcke, Taubenfedern und Blätter eingesammelt und sorgsam in Papas Fahrradkorb gelegt. „Für Mama.“
Auf der nächsten Straße eine Baustelle: „Da ist ein großer Bagger, den habe ich genau gesehen. Warum arbeitet der Bagger nicht?“ Die Antwort erfahren wir nicht, denn das nächste Studienobjekt wartet: ein Baustellenklo, das „Pipiklo für Baggermänner“. Wenige Meter weiter hängt eine Deutschlandfahne. „Guck mal, eine Fußballfahne!“
Wenn man nicht gerade dringend zur Arbeit muss, ist Laufradfahren also allerbeste Stressvorbeugung. Dabei ist übrigens klar geregelt, dass der Sohnemann an der Spitze die Geschwindigkeit vorgibt. „Du bist ein Vorfahr“, meine ich, und er entgegnet keck: „Und du bist ein Nachfahr.“ Stimmt, heute schon.
Elfer entscheidet!
Von Kindern lernen geht ganz leicht. Man muss einfach nur eine erfolgreiche Kindertechnik in die Welt der Erwachsenen übertragen. Ein Beispiel dafür ist die Idee, in Zweifelsfällen einfach das Glück entscheiden zu lassen.
So werden beim Fußballspiel auf dem Pausenhof ja längst nicht alle Regeln eingehalten wie beim Vereinsfußball auf dem penibel markierten Feld. Im Spiel mit Jacken-Pfosten und herrlich flatternden Gummibällen gelten die Regeln der Straßenkicker. Die wichtigste lautet: Elfer entscheidet!
Kommt es zu Zweifelsfällen im Spiel der kleinen Straßenkicker, wird erstaunlich oft auf Elfmeter entschieden. Diese Art des Entscheidungsspiels erspart den Kindern lange Diskussionen und letztlich unnötigen Streit. Denn sie haben weder Schiedsrichter noch Zeitlupe oder Torlinientechnik. Also einfach einen Elfmeter schießen, und dann geht’s weiter.
Wir Großen können diese Technik adaptieren. Wenn das Gewissen und der Verstand sich streiten, wenn Wankelmut beim Herzen wohnt, sollten wir einfach die Münze oder den Würfel entscheiden lassen. Soll ich das gebrauchte Auto jetzt kaufen oder nicht? Fahre ich an der Weggabelung jetzt rechts oder links? Ziehe ich heute eine kurze oder lange Hose an? – Elfer entscheidet!
Der kleine Bruder
Ein kleiner Bruder ist ein Geschenk des Himmels, weil man ihm tolle Sachen beibringen und ihn jederzeit durch die dümmsten Faxen zum Lachen bringen kann. Weil er den Älteren jedoch in fast allen Belangen unterlegen ist, lernt er schon früh, die Ellenbogen auszufahren und sich zu wehren, wenn ihm mal was nicht passt. Das gilt auch für die Sprache.
So lernt der Kurze ganz schnell, warum im Streitfall nicht nur ein beleidigter Gesichtsaudruck seine Argumentation stützt, sondern auch passende Worte des Missfallens. Gerne werden solche Entrüstungen eingeleitet durch die deutliche Namensnennung des Beschuldigten. Gefolgt von der durchaus ernst gemeinten Zurechtweisungen wie „Mir platzt gleich der Magen!“, „Du bist kein Lady-Ritter!“ oder „Ey, du Euro!“.
Ernst bleiben ist da für Eltern manchmal gar nicht so einfach. Aber auch sie bekommen ihr Fett weg. So lernen sie, dass es durchaus doofe Elternfragen geben kann, zum Beispiel diese hier: „Du hast aber einen schlimmen Husten. Wo kommt der denn her?“ Antwort: „Von draußen!“
Besonders schlagfertig reagiert der kleine Bruder auf Warnungen: „Nicht rausholen! Die Eier müssen noch!“ Seine Entgegnung: „Dann schaue ich denen beim Müssen zu.“ Selbst wenn er in die Ecke gedrängt wird, fällt dem Kurzen immer etwas ein. Tatvorwurf: „Du hast die Windel voll!“ Darauf er mit viel Verständnis: „Riech’ ich auch.“