Vom Optimisten zum Realisten

Das Glas ist halb voll und nicht halb leer, und die Sonne geht abends unter, um morgens wieder aufzugehen. Kleine Kinder haben eine bewundernswert positive Grundhaltung, woran sich mancher ein Beispiel nehmen könnte.
So ist der Dreijährige der grenzenlos begeisterungsfähige und gutgläubige Typ, der logische Optimist, der in allem das Gute und Wahre und Schöne sieht. Die platt getretene Schnecke auf der Treppe ist deshalb auch nicht gleich tot, sondern erst mal matschig. Vielleicht ist ja was zu retten. Die Sonderangebote im Supermarkt sehen lecker aus, obwohl sich schnell herausstellt, dass es Hundefutter ist. Und wenn Papa auf dem Weg zur Kita am Briefkasten hält und was einwirft, meint der Junior: „Gut, dass du einen Brief dabei hattest.“
Leider lässt der grenzenlose Optimismus mit zunehmendem Alter nach. Schon der sechsjährige Bruder ist ein pragmatischer Realist, der seinen Eltern zum Geburtstag Gutscheine mit guten Taten schenkt. Wenn die ihn dann aber bitten, sich anzuziehen, sagt er nur knapp: „Das stand da aber nicht drauf.“
Die ältere Schwester ist noch abgebrühter, Typ aufgeklärte Postmaterialistin. Als zeitgleich in Flur und Bad die Energiesparlampen aufgeben, meint sie nur: „Ich will gar keine Lampen mehr haben. Dann gehen sie auch nicht kaputt, und wir sparen Geld.“
Mit Spannung erwarten wir, welcher Denkschule unsere Alltagsphilosophen beitreten, wenn das Zeitalter der Pubertät über uns hereinbricht.

Die echten Superkids

Neulich gucken wir Superkids im Fernsehen und staunen: Atemberaubend, was der russische Seilartist, die niederländische Sopranistin und der amerikanische Messerwerfer für eine Show abziehen. Der japanische Mini-Kampfsportler und der Stapelbecher-Weltrekordjunge machen ebenfalls mächtig Eindruck.
Zwischendurch richtet die Privatsender-Fernsehkamera den Blick immer wieder auf die stolzen Eltern der Mini-Stars. Obgleich die Show mächtig übertrieben und aufgeblasen ist, finden unsere Kinder das super, feuern an und feiern mit den Casting-Siegern. Am besten kommen übrigens die Tanzaufführungen von Gruppen an und nicht die Solo-Shows.
Toll ist dann noch, wenn das Hochleistungsfernsehen keine Minderwertigkeitskomplexe hervorruft, sondern Begeisterung und bemerkenswerte „Dabei sein ist alles“-Effekte. So verkündet die Tochter wie selbstverständlich, sie werde bei der Show auch mal auftreten: mit einem Handstand an der Wand, während sie gleichzeitig was schreibt. Der Sohnemann will seine allerbesten Fußballtricks zeigen. Und ich freue mich still über meine echten Superkids.

Haus mit Tieren

Am-Haustier

Eindeutig ein Am-Haustier.

Ich wollte als Kind auch immer einen Hund, habe aber nie einen bekommen. Meine Eltern trauten mir einfach nicht zu, dass ich mich um ihn kümmere, ständig mit ihm gehe und so weiter. Auch unsere lieben Kleinen werden vorerst keinen Hund und auch keine Katze bekommen, weil das so im Mietvertrag steht: Haustiere nicht erlaubt.
Wobei der Begriff Haustier nach den Erfahrungen dieses warmen Sommers natürlich völlig unzureichend ist, um die ganze Bandbreite der tierischen Phänomene abzudecken. Man sollte besser unterscheiden zwischen Im-Haustieren und Am-Haustieren.
Klassische Haustiere sind nicht erlaubt, aber selbstbestimmt eindringende Kleinsthaustiere schon – von der ewigen Fruchtfliege bis zur Mücke, die uns einen Sommer lang das Blut aussagte und jetzt eines Morgens tot auf der Fensterbank lag. Silberfische sind hübsch, aber leider stinklangweilig. Und natürlich bekommt jede Stubenfliege bei uns ihren eigenen Vornamen.
Spinnen werden wie viele andere Insekten mit dem Plastikbecher eingefangen und hinausgeworfen, was sie dann automatisch wieder zu Am-Haustieren macht. Zu dieser Gattung gehören auch die Amseln und Tauben der Nachbarschaft sowie die schwarze Katze, die nachts unvermittelt auftaucht.
Egal ob im oder am Haus: Wichtig, dass die Kleinen eine Einstellung entwickeln, die Albert Schweitzer „Ehrfurcht vor dem Leben“ nannte. Und deswegen piddeln wir jetzt die Kürbiskerne von unseren Brötchen und gehen damit das Balkonmäuschen füttern.