Prokrastination ist nach Kathrin Passig und Sascha Lobo die Kunst, Dinge so lange aufzuschieben, bis die allerletzten Fristsetzer entnervt kapitulieren. Dinge geregelt zu kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin, das sei die Kunst des stilvollen Aufschiebens.
Und tatsächlich: Wer nicht aufschiebt, bringt sich um die schönsten Freuden – wie einen überquellenden Briefkasten mit freundlichen schriftlichen Erinnerungen und auch den allerbesten Mahnungen, die je in deutscher Sprache aufgeschrieben wurden. Unter den Mahnern gibt es solche, die sehr langmütig daherkommen und erst ganz spät mit Mahngebühren oder gar der Parkkralle und anderen Pfändungen drohen.
Und dann gibt es solche, die kennen kein Pardon und mahnen den Aufschieber schon, wenn er drei Tage nach Rechnungsdatum noch nicht bezahlt, obwohl er den Wisch wegen eines Post-Streiks erst gerade erhalten hat.
So erreichte eine uns nahestehende Einrichtung vor kurzem eine „Mahnung mit Gebühren“, die in den Kanon der deutschsprachigen Mahnliteratur aufgenommen werden sollte. Darin heißt es: „Sehr geehrte Damen und Herren, trotz unseres kleinen Hinweises üben wir uns seit einigen Tagen in der Kunst der Geduld. Sie können unsere Geduld belohnen, indem Sie uns bis zum 6.4.2015 den fälligen Betrag incl. Mahngebühren und Zinsen überweisen.“ So sei es!
Ein Radler mit Kabumm
Ein Bier für die Feiertage zu finden, ist angesichts der großen Auswahl im Getränkemarkt meines Vertrauens gar nicht so leicht. Ich stöbere ratlos durch die Ausstellung, so dass mich ein Bier-Vertreter anspricht, der zufällig im Laden ist: „Probieren Sie das mal. Schmeckt süß wie ein Radler, aber im Abgang kommt es noch mal mit Kabumm von hinten.“
Mit Kabumm von hinten. Aha. Skeptisch packe ich ein paar Probeflaschen ein. Auf dem Weg zur Kasse begegnet mir der Biervertreter erneut und rattert alle Biersorten runter, die zu seinem Mutterkonzern gehören, was ein wenig klingt wie Brauerei-Monopoly (Parkstraße und Schlossallee, 15 Hotels, alle Bahnhöfe). Dann überreicht er mir zwei kleine Schachteln mit den Worten: „Für treue Kunden!“ Toll, denke ich: Zwei dunkelgrüne Plastik-Sonnenbrillen für die Kinder!
Abends wird das innovative Neubier probiert. Es schmeckt aber leider nach stark gesüßter Industrieplörre mit künstlicher Zitrone. Das wird sich am Markt nicht durchsetzen. Immerhin haben wir zwei neue Sonnenbrillen. Doch was ist das? Da steht: „Sunglasses with bottle opener“. Tatsächlich: An den Enden ihrer Bügel haben die Brillen jeweils einen kleinen, ungesicherten Flaschenöffner, der beim Aufsetzen ganz leicht die Kopfhaut aufschlitzen kann. Darauf ein Radler mit Kabumm!
Das Leben als Musical
Musik wird oft als Lärm empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden – das wusste schon Wilhelm Busch. Andererseits kann Musik auch dabei helfen, Stimmungen und Gefühle, Freud und Leid in gesungenes Wort zu fassen. Die Disney-Filme mit ihren Gesangseinlagen machen es vor.
Das Leben als Musical ist im harten Alltag eine echte Herausforderung. Zum Glück helfen dabei kleine Anwendungen fürs Smartphone wie die App „Songify“, die jeden aufgezeichneten Wortbeitrag mit einer Melodie unterlegt – je nach Wahl elektronisch-traurig oder fröhlich-funkig. Das klingt dann wie eine Mischung aus Eminem, Kraftwerk und dem „Ich bin ein Gummibär“-Song, hat aber großen Unterhaltungswert.
So singen wir demnächst am Rhein wütende Hip-Hop-Stücke: „Warum hab’ ich Gegenwind,/ immer wenn ich Fahrrad fahr’,/ das find’ ich bescheiden, sehr bescheiden!“ Oder wir schmettern in das Nachmittagsloch ein kernig-zuversichtliches Aufbaulied: „Alle fröhlich bei der Arbeit,/ alle fröhlich im Büro.“ Bitter klingt dank der Musical-App demnächst auch die enttäuschte Pauschalurlauber-Ballade: „Jetzt sitz’ ich hier am Mittelmeer/ und habe keine Mittel mehr.“
Aber egal ob mit Orchester, Elektro-App oder einfach a cappella – die Erfahrung lehrt eins: Gesungenes Leid ist halbes Leid, gesungene Freude doppelt schön. Und jetzt die Zugabe, bitte!